blog post image

Pressestimmen

»Der Historiker Robert Rauh stellt in einem neuen Buch das bisherige Geschichtsbild infrage.« Der Spiegel

»Durch die Recherchen zu seinem Buch habe Rauh gelernt, dass man bei der DDR-Geschichte den Blick erweitern müsse.« SWR2

»Eine historische Tiefenbohrung mit verblüffenden Ergebnissen.« Berliner Zeitung

»Das Buch ist anschaulich und informierend – und widerspricht der allgemeinen Forschung.« Der Tagesspiegel

»Rauh schreckt auch nicht davor zurück, in Stein gemeißelte Sichtweisen infrage zu stellen und in Neuland vorzudringen. Im Buch beschränkt er sich auf die Rolle des distanziert-kritischen Beobachters.« Märkische Allgemeine Zeitung

»Robert Rauh liefert mit seinem Buch eine differenzierte Sicht auf jene Menschen, die in der DDR geblieben waren, warum auch immer. Vielen, so ist zu vermuten, gibt er damit auch ein Stück ihres Lebens zurück. « MDR Kultur

»Robert Rauh betrachtet seine Untersuchungen nicht als beendet. Der Radius müsse erweitert werden.« Lübecker Nachrichten

»Eine neue und ungewohnte Sichtweise auf den Bau der Mauer […] Im Ergebnis haben wir ein Buch, dass den Fokus auf den Mauerbau spürbar weitet, sich von einseitigen Betrachtungen verabschiedet und das ein Diskussionsangebot sein soll, genauer hinzuschauen.« Antenne Brandenburg

»Eine aufschlussreiche Studie.« Süddeutsche Zeitung

»Der Titel klingt mindestens provokant. Aber Rauh [...] sieht sich gar nicht als Provokateur. Im Gegenteil.« Berliner Morgenpost

Klappentext: Zu diesem Buch


Warum gab es keinen Aufstand gegen den Mauerbau? Warum rebellierten die DDR-Bürger nicht dagegen, dass sie eingesperrt wurden? Oder entschieden sich bewusst gegen Proteste? Dieses Buch stellt die gängige Auffassung in Frage, der Mauerbau sei in der DDR auf eine breite Ablehnung gestoßen. Unser Geschichtsbild ist durch die Bilder von spontanen Demonstrationen an der Sektorengrenze und von spektakulären Fluchtversuchen geprägt. Tatsächlich kam es aber am 13. August 1961 nur an wenigen Grenzübergängen zu größeren Ansammlungen und in den folgenden Wochen nur zu vereinzelten Protesten und Streiks. Die Mehrheit der DDR-Bürger blieb jedoch passiv. Auf der Basis interner Polizei-, SED- und Staatssicherheitsberichte sowie Zeitzeugeninterviews und einer aktuellen Umfrage geht Robert Rauh der Frage nach, warum so viele DDR-Bürger den Mauerbau widerstandslos hinnahmen – und damit die letztlich die deutsche Teilung billigten.


Konzeption des Buches: Inhaltsverzeichnis


Prolog: Fabians Frage
Einleitung: Mehr als ein Motiv
Der Tag danach: Berlin am 13. August 1961
  • „Ein Aufstand ist nicht real“ - Der SED-Staat in der Offensive
  • Schock und Starre - „Ansammlungen“ an den Grenzübergängen
  • „Neugierige“ und „Provokateure“ - Volkes Stimme im Blick der Stasi
Proteste ohne Massen: Reaktionen auf den Mauerbau
  • Reibungsloser Betriebsverlauf? - Die Arbeiterschaft
  • „Ob ihr wollt oder nicht“ - Die Jugend
  • „Abwartende Haltung“ - Die Wissenschaftler
  • „Das Unrecht vom 13. August? Von welchem Unrecht sprechen Sie?“ - Die Künstler
Widerstandslose Hinnahme: Erklärungsversuche
  • Das Trauma des 17. Juni - Angst und Ausweglosigkeit
  • „Nur vorläufig“ - Unsicherheit und Ungläubigkeit
  • „Der Zaun hat uns nicht gestört“ - Gleichgültigkeit und Gewöhnung
  • „Schlimm, aber notwendig“ - Überzeugung und Illusion
Resümee: Hoffnung auf einen Burgfrieden

Auszug aus dem Resümee: Hoffnung auf einen Burgfrieden


Geht es um die Aufarbeitung einer Diktatur, stehen im Fokus häufig dieselben: die Machthaber und die Mutigen, die ihnen widerstanden. Diese Schwarz-Weiß-Malerei funktioniert auch bei der DDR-Aufarbeitung, weil sie einfache Erklärungen liefert. Rückblickend werden auf der Bühne der Geschichte die einen verurteilt und die anderen gewürdigt. Beide Gruppen verbindet, dass sie Minderheiten sind. Die anderen sitzen (noch immer) im Zuschauerraum. Es gibt zwar Applaus und Buhrufe, aber ansonsten schauen sie nur zu – und schweigen. Es ist diese Mehrheit, über die zwar gesprochen wird, über die man jedoch wenig weiß. Wahlweise sind sie die Unterdrückten, die Angepassten, die Mitläufer oder die Systemstützen. In jedem Fall: die Passiven.

Passiv verhielt sich die Mehrheit der DDR-Bürger im August 1961. Und dennoch wird in der Geschichtsschreibung behauptet, der Bau der Berliner Mauer sei in der Bevölkerung – die wenigen überzeugten Funktionäre ausgenommen – mehrheitlich auf Ablehnung gestoßen. Eine andere Haltung scheint offenbar nicht vorstellbar. Oder sie passt nicht in das herrschende Geschichtsbild. Schließlich hatten sich dem SED-Staat bis zum 13. August 1961 schon knapp drei Millionen Menschen durch Flucht in den Westen entzogen. Die einseitige Sperrung der Sektorengrenze in Berlin war ein Gewaltakt der SED-Führung, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen und ihre Herrschaft zu sichern. Dafür nahm sie in Kauf, das eigene Volk einzusperren und die deutsche Teilung zu zementieren. Warum ließen 17 Millionen DDR-Bürger das fast drei Jahrzehnte zu? Warum nutzte nur eine Minderheit Möglichkeiten des Widersprechens und Widerstehens? Oder waren viele DDR-Bürger womöglich gar nicht so passiv, sondern entschieden sich bewusst dafür, nicht zu protestieren?

[...]

Die Frage, warum es keine Massenproteste gegen den Mauerbau gegeben hat, wird in diesem Buch mit vier Erklärungsansätzen beantwortet. Während die ersten beiden in nahezu keiner Publikation fehlen, spielen die anderen in der Diskussion bislang kaum eine Rolle. Sie passen nicht in das allgemein vorherrschende Geschichtsbild, wonach die Mehrheit der DDR-Bürger gegen den Mauerbau gewesen sei.

Zit. aus: Robert Rauh, „Die Mauer war doch richtig“,
S. 161f., S. 165.

blog post image blog post image blog post image blog post image blog post image blog post image

Umfrage zum Mauerbau: Erläuterungen


Weil keine zeitgenössischen Umfragen mit DDR-Bürgern zum Mauerbau von 1961 existieren, wurde für dieses Buch eine Befragung durchgeführt: mit ehemaligen DDR-Bürgern, welche die Abriegelung der Berliner Sektorengrenze miterlebt haben und bereit waren, Auskunft zu geben. Das Ergebnis ist überraschend. Der Aussage „Der Mauerbau im August 1961 war aus damaliger Sicht richtig“ stimmen knapp 54 Prozent der Befragten zu. Bemerkenswert sind zwei weitere Ergebnisse: Von den Befürwortern des Mauerbaus hatte knapp die Hälfte Verwandte im Westen. Und mehr als ein Drittel von ihnen sind der Meinung, dass die DDR nicht demokratisch legitimiert war. Wie passt das zusammen? Bevor die Umfrage im Detail vorgestellt wird, muss darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse keinen Anspruch auf die historische Wahrheit erheben. Sie wurde 60 Jahre nach dem Mauerbau durchgeführt und ist methodisch anfechtbar. Weil einige Fragen jedoch zu recht klaren Ergebnissen geführt haben, lässt sich an ihnen ablesen, aus welchen Gründen viele DDR-Bürger den Mauerbau aus damaliger Sicht befürwortet haben.


Die Erhebung, die in Kooperation mit Marten Paetzelt, Student der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität, entwickelt, getestet und durchgeführt wurde, startete Ende November 2020, zeitgleich mit Beginn der zweiten Corona-Welle, was ein zufälliges Stichprobenverfahren erheblich erschwerte. Zudem lehnten viele Menschen die anonyme Befragung ohne ein begleitendes, vor allem persönliches und „klärendes“ Gespräch ab. Leitungen von Seniorenheimen verweigerten „aus gegebenen Umständen“ die Weitergabe der Fragebögen, und es mangelte – weil wir kein professionelles Meinungsforschungsinstitut einbeziehen wollten – an Unterstützern, um die Umfrage noch weiter zu streuen. Die Befragung erfolgte nicht nur telefonisch; Fragebögen wurden vorrangig in Seniorenheimen ausgegeben. Nur wenige Menschen nutzten die Online-Version der Umfrage. Am Ende beteiligten sich bis Ende April 2021 insgesamt 602 Menschen.


Weil der Mauerbau sechs Jahrzehnte zurückliegt, konnten nur Angehörige der der 1920er- (Rücklauf von 35 Personen), 1930er- (349 Personen) und 1940-er Jahrgänge (218 Personen) befragt werden. Die älteste Person war zum Zeitpunkt des Mauerbaus 39 Jahre alt (geboren 1922), die jüngste 12 Jahre (geboren 1949). Es fehlen alle Jahrgänge, die 1961 schon über 50 Jahre alt waren. Darüber hinaus sind nicht alle DDR-Bezirke angemessen repräsentiert. Die meisten Befragten haben 1961 in Ost-Berlin gewohnt (23,79 %), die wenigsten im Bezirk Gera (1,66 %). Das Hauptproblem dieser Umfrage ist jedoch der zeitliche Abstand zu den Ereignissen und damals vertretenen Einschätzungen. Die Mauer wurde vor 60 Jahren errichtet und ist vor mehr als 30 Jahren gefallen. Während des Kalten Krieges war sie permanent Gegenstand der ideologischen Auseinandersetzung zwischen den Systemen. In der DDR wurde sie als „antifaschistischer Schutzwall“ gerechtfertigt und in der Bundesrepublik als „Schandmauer“ verurteilt.


Inwieweit die dauerhafte politische Beschäftigung mit dem Thema über Jahrzehnte hinweg die Antworten beeinflusst hat, darüber kann nur gemutmaßt werden. Zudem haben die Befragten 29 Jahre lang mit der Mauer gelebt und wissen, wie viele Menschen an ihr ums Leben kamen. Am 13. August 1961 und in den darauffolgenden Tagen und Wochen konnte das niemand voraussagen. Ein Problem bei der Bewertung der Befragungsergebnisse könnte auch sein, dass bei einigen Aspekten, zum Beispiel bei der Frage, wozu der DDR-Regierung der Mauerbau diente, Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen vorgegeben waren. Die Möglichkeit, eigene Überlegungen hinzuzufügen, hat kaum jemand genutzt. Allerdings ergeben die Antworten von einer Reihe weiterführender Fragen zum sozialen Hintergrund, zur politischen Einstellung gegenüber der DDR sowie auf die Frage, warum er oder sie nicht (auch) in den Westen geflüchtet sind, ein differenzierteres Bild vor allem der Mauer-Befürworter.

Zit. aus: Robert Rauh, „Die Mauer war doch richtig“,
S. 137-140.

Umfrage zum Mauerbau: Fragebogen